Krankenversicherung und Behandlungskosten bei Trisomie 21
Es geht vorliegend um die beiden Kinder Otto und Peter, die an Trisomie 21 erkrankt sind. Die Krankenversicherung aus Freiburg weigert sich hier, die mehrmals pro Jahr nötigen Therapiemaßnahmen zu bezahlen.
Hinweis: Bei dem hier vorgestellten Fall handelt es sich um einen realen Fall aus unserer Kanzlei. Es wurden lediglich die Namen aller Beteiligten, sowie die Datumsangaben, die Zahlen und die sonstigen genannten Beträge abgeändert und/oder abgekürzt, um den Fall dadurch zu anonymisieren. |
Unser Anwaltsschreiben an die gegnerische Versicherung
Da die Eltern der beiden Kinder trotz mehrfacher Telefonate und Briefe bei der Versicherung nicht weiter kamen und dort nur "auf taube Ohren" stießen, beauftragten die Eltern die Kanzlei ANWALTGRAF mit der anwaltlichen Durchsetzung der Ansprüche ihrer kranken Kinder.
Für die Kinder verfasste die Kanzlei ANWALTGRAF ein deutliches Schreiben an die Versicherung:
Lesen Sie selbst:
"...hiermit zeigen wir Ihnen an, dass Ihr Versicherungsnehmer Herr Gerhard Mild, sowie dessen mitversicherte Söhne Otto und Peter, 79100 Freiburg - Vauban ab sofort von uns anwaltlich beraten und vertreten werden.
Namens und im Auftrag unserer Mandanten fordern wir Sie auf, uns gegenüber zu erklären, dass Sie jetzt und auch zukünftig die Kosten für die jeweils einwöchigen Therapiemaßnahmen der mitversicherten Söhne Otto und Peter unseres Mandanten bestehend aus einer ganzheitlichen Therapie aus Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie von mindestens 2x im Jahr im Therapiezentrum Freiburg übernehmen.
1.
Aus den uns von Ihnen übersendeten Akten ergibt sich, dass Ihnen bekannt ist, dass die beiden Söhne Otto und Peter, geb. am 17.09.2006, an Trisomie 21 erkrankt sind.
Aus diesem Grunde haben Sie seit über vier Jahren die Kostenübernahme für die beiden Kinder für zwei Intensivtherapiebehandlungen jährlich in obigem Therapiezentrum übernommen.
Nunmehr lehnen Sie diese Kostenübernahme letztmalig in Ihrem Schreiben vom 05.02.2014 für das Jahr 2014 ab und begründen dies völlig unverständlich mit dem „Therapiefortschritt“ der Kinder.
Diese Entscheidung ist offensichtlich vertragswidrig, da obige Therapiemaßnahmen nach wie vor unstreitig sozialpädiatrisch, also medizinisch indiziert sind.
2.
Gem. § 1 II der AVB für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung besteht Ihre Leistungspflicht für die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit.
Unstreitig ist die Trisomie 21, an der die Kinder Otto und Peter leiden, eine Krankheit in obigem Sinne.
Unstreitig in diesem Zusammenhang ist weiterhin, dass Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie zur medizinischen Grundversorgung gehören und somit Heilmittel sind, welche ärztlich verordnet werden.
Dies wird auch durch die Leitlinien des Down-Syndrom Netzwerk Deutschland e.V., Arbeitskreis Down-Syndrom e.V. und die European Down Syndrom Association ausdrücklich bestätigt, in denen die intensiv Behandlung mit obigen Therapiemethoden ausdrücklich zur Persönlichkeitsentwicklung der erkrankten Kinder empfohlen wird.
Somit ist die von unserem Mandanten beantragte Intensivwoche im Therapiezentrum Freiburg eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, zu deren Kostentragung Sie gemäß Ihrer AVB verpflichtet sind.
Die wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode setzt nur voraus, dass ihre Risiken und ihre spezifischen Anwendungsbereiche hinreichend genau und sicher bestimmt wurden. Ob eine Behandlungsmethode anerkannt wird, bestimmt sich ganz wesentlich auch anhand der Abwägung ihrer Chancen und Risiken durch die Beteiligten Fachkreise. Von der generellen Eignung einer Behandlungsmethode ist jedenfalls dann auszugehen, wenn sie -wie hier- in der Fachärzteschaft allgemein als wirksam anerkannt ist, also im Wesentlichen außer Streit steht (BGH r+s 1993, 351).
Das Vorliegen dieser Merkmale dürfte hier im Übrigen auch unstreitig sein, da Sie seit 2010 regelmäßig die Intensivtherapiewochen im Therapiezentrum Freiburg (und zwar 2x im Jahr) übernommen haben.
3.
Nunmehr verweigern Sie die Kostenübernahme mit der Begründung, dass ab 2014 keine medizinische Notwendigkeit mehr für zwei Intensivtherapiewochen pro Jahr mehr bestehen und verweisen hierbei auf das von Ihnen in Auftrag gegebene „Gutachten“ des Munna-Hospitals in 79106 Freiburg.
In dem knapp 3 Seiten langen Kurzgutachten wird maximal eine einmal jährlich stattfindende, einwöchige Intensivbehandlung nach Freiburg empfohlen. “Eine höhere Intensivtherapiefrequenz ist aufgrund der bereits erkennbaren guten Fortschritte medizinisch nicht angezeigt.“
Die Feststellungen in diesem Gutachten vom 15.12.2013 entsprechen nicht dem fachärztlichen Standard, es liegt ein sog. Gefälligkeitsgutachten vor.
Beweis:
Pädiatrisches Sachverständigengutachten
a.
Die Ärzte Dr. Goldwasser und Dr. Bickel, welche für das Kurzgutachten verantwortlich zeichnen, sind zudem lediglich Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie und somit fachlich schon nicht geeignet, die medizinische Notwendigkeit der beantragten Heilbehandlung beurteilen zu können.
Beweis:
Pädiatrisches Sachverständigengutachten
b.
Weiterhin ist festzustellen, dass sich das „Gutachten“ weder fachlich noch sachlich mit den von unserem Mandanten vorgelegten Stellungnahmen und Gutachten, insbesondere der ärztlichen Bescheinigung des Herrn Prof. Dr. Dr. Hildegardling von Sterr, Facharzt für Kinder –und Jugendmedizin vom 02.07.2013, in hinreichender Weise auseinandersetzt.
Beweis:
Pädiatrisches Sachverständigengutachten
c.
Die Aussagen im Kurzgutachten des Hospitals stehen im diametralen Gegensatz zu den bereits vorgelegten Stellungnahmen und Gutachten, welche eine medizinische Notwendigkeit von mindestens zwei jährlichen Intensivtherapiewochen im Therapiezentrum Freiburg bestätigen.
Beweis:
- Pädiatrisches Sachverständigengutachten
Insoweit verweisen wir auf die ärztlichen Befundungen von Prof. Dr. Dr. von Adler vom 02.07.2013 und 26.11.2013, Therapiebericht des Therapiezentrums Freiburg vom 22.05.2013 und vom 24.08.2013 sowie den sprachtherapeutischen Bericht von Frau Christina Melle M.A., Sprachtherapeutin.
Insbesondere in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 02.07.2013 und 26.11.2013 führt Prof. Dr. Dr. von Adler aus, dass „aus sozialpädiatrischer Sicht eine Blockbehandlung bei beiden Kindern „2-3 mal pro Jahr absolut sozialpädiatrisch indiziert ist.“
Beweis:
Ärztliche Bescheinigungen vom 02.07. und 26.11.2013
Pädiatrisches Sachverständigengutachten
Insoweit verweisen wir auch auf die Dissertation von Frau Dr. Asson Bolla, „Trisomie 21 – psychosoziale Versorgungsstrukturen für betroffene und Familien und ihr Einfluss auf die Entwicklung“, LMU Universität München, 2011, in der mit wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt und nachgewiesen wird, dass Kinder mit Trisomie -21 eine intensive logopädische Therapie, möglichst in Kombination mit einer Physiotherapie und Ergotherapie benötigen, da nur im Kontext dieser drei Behandlungsmethoden mit einem deutlichen Fortschritt der Sprachentwicklung gerechnet werden kann und diese Therapien langfristig und in Blockbehandlungen mehrfach (!) jährlich stattzufinden haben.
Somit steht fest, dass die die Blockbehandlung der beiden Kinder Otto und Peter mindestens zweimal im Jahr im Therapiezentrum Freiburg medizinisch indiziert ist.
4.
Rein vorsorglich weisen wir daraufhin, dass Sie seit dem Jahr 2010 diese Therapiekosten für 2 Blockbehandlungen im Jahr immer übernommen haben und insoweit ein Vertrauensschutz bei unserem Mandanten bezüglich der Übernahme auch zukünftiger diesbezüglicher Behandlungskosten entstanden ist.
So hat das AG Dachau bereits im Jahre 1993 entschieden, dass „ein Leistungsstopp für bisher regelmäßig gezahlter Therapien durch den Versicherer unwirksam ist“. (AG Dachau, AZ: 2 O 992/93).
In diesem Zusammenhang hat das LG München I ebenfalls 1993 entschieden, dass in diesen Fällen, der Versicherer „die medizinische Unnötigkeit dieser Leistungen“ beweisen muss (LG München I, AZ: 20 S 6438/93)
5.
Auch eventuelle wirtschaftliche Erwägungen haben bei Ihnen keine Berücksichtigung zu finden.
Es besteht nämlich kein Grundsatz, dass nur die kostengünstigere Behandlung notwendig ist, denn die Bestimmung in § 1 AVB stellt nur auf die medizinische und nicht auf die wirtschaftliche Notwendigkeit ab (BGH NJW 2003, 1569).
Deshalb bleiben Kostengesichtspunkte bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit grundsätzlich außer Betracht.
6.
Sollten Sie daher nicht auch die zukünftige Kostenübernahme für die einwöchige Blockbehandlung der beiden Kinder Otto und Peter für mindestens zwei mal im Jahr im Therapiezentrum Freiburg übernehmen, werden wir auf Feststellung der Leistungspflicht klagen.
Zur Zulässigkeit einer solchen Klage bei umstrittener medizinischer Notwendigkeit verweisen wir auf die Entscheidung des BGH vom 08.02.2006 (BGH VersR 2006, 535; H. van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 6. Aufl., § 17, Rdn: 652 mwN.).
Wir gehen davon aus, dass Sie binnen drei Wochen ab Datum dieses Schreibens Ihre Leistungspflicht anerkennen werden."
Fazit: Die Krankenversicherung aus Freiburg muss zahlen.
Wir gehen davon aus, dass die Krankenversicherung die Ansprüche nun erfüllen wird und den beiden Kindern die notwendigen Therapie- und Behandlungskosten erstatten wird. Sollte die Krankenversicherung dem nicht nachkommen, werden wir eine Leitungsklage beim Landgericht Freiburg einreichen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr RA Michael Graf
ANWALTGRAF, Freiburg