LG Köln zur Arzthaftung bei zahlreichen Behandlungsfehlern im Rahmen der Geburt
ZUM FALL:
Im Jahr 2007 musste sich das LG Köln (Aktenzeichen: 25 O 592/01) mit der Frage auseinandersetzen, welche Ansprüche der Geschädigten und ihren Eltern zustehen, wenn im Rahmen der Geburt zahlreiche verschiedene Behandlungsfehler begangenen wurden, die zur Entstehung eines Geburtsschadens geführt haben.
Sachverhalt
Die Mutter der Geschädigten begab sich am 6. September 1996 in der 40. Woche ihrer Schwangerschaft zur Entbindung in die Abteilung der Gynäkologie des beklagten Krankenhauses.
Dort geschahen im Rahmen der vorgeburtlichen Betreuung, im Rahmen der Geburt selbst und im Rahmen der nachgeburtlichen ärztlichen Versorgung mehrere grobe Behandlungsfehler. So wurde zunächst eine Fortschreibung des CTG unterlassen, obwohl dieses bereits auffällig war. Dann wurde zu spät entschieden, eine Sectio vorzunehmen. Im Anschluss wurde die Untersuchung unterlassen, ob bei dem Kind ein Sauerstoffmangel vorliegt. Schließlich wurde das Kind auch noch zu spät reanimiert.
Dabei entstanden der Klägerin schwerste Schädigungen. Sie leidet auch zum Zeitpunkt des Urteils noch an einer schweren Mikrocephalie sowie generellen Dystrophie. Außerdem liegt eine schwerste cerebrale Bewegungsstörung sowie eine generalisierte Tetraspastik vor.
Infolgedessen verlangten die Geschädigte und deren Eltern Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Entscheidung des LG
Das Landgericht gab der Klage größtenteils statt und sprach der Beklagten zunächst 500.000 € Schmerzensgeld nebst Zinsen zu. Außerdem wurde festgestellt, dass auch alle künftigen immateriellen sowie vergangene und künftige materielle Schäden zu ersetzen sind. Dabei bejahte es im Wesentlichen Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 831, 847 BGB.
Das LG Köln ging hier davon aus, dass gleich mehrere grobe Behandlungsfehler vorlagen, die auch für die eingetretenen Schäden ursächlich geworden sind.
Rechtliche Besonderheit: Kausalität
Besonders relevant war in diesem Fall die Frage nach der Kausalität. In Fällen eines groben Behandlungsfehlers geht die Rechtsprechung von erheblichen Beweiserleichterungen für den Geschädigten aus, die bis zur Beweislastumkehr führen können. Konkret bedeutet das hier, dass das Krankenhaus hätte beweisen müssen, dass ein Zusammenhang zwischen den Schäden an der Gesundheit der Klägerin und den Behandlungsfehlern äußerst unwahrscheinlich sei.
Dies versuchte das beklagte Krankenhaus durch die pauschale Behauptung, dass es viel wahrscheinlicher sei, dass die geltend gemachten Schäden auf bereits bestandenen Komplikationen in der Schwangerschaft und auf dem Nikotin-Konsum der Mutter der Geschädigten beruhen.
Diesen pauschalen Verweis ließ das LG Köln aber nicht gelten. Aufgrund der Beweislastumkehr müsste das Krankenhaus vielmehr substantiiert darlegen und beweisen, dass tatsächliche andere Ursachen für das Eintreten des Schadens wahrscheinlicher sind.
Rechtliche Besonderheit: Mehrheit von Klägern und Beklagten
Ein weiterer interessanter Aspekt dieses Falles ist, dass neben dem Geschädigten auch dessen Eltern als Kläger auftreten und mithin vorliegend drei Kläger im Prozess auftreten. Darüber hinaus hat man sich nicht damit begnügt, allein das Krankenhaus zu verklagen, sondern man erstreckte die Klage auch auf drei in der geburtshilflichen Abteilung beschäftigte Ärzte sowie eine dort beschäftigte Hebamme. Damit stritten in dem Verfahren drei Kläger gegen fünf Beklagte.
Dies hat einerseits den Vorteil, dass man im Fall des Obsiegens auf mehrere Schuldner zugreifen kann und man unter Umständen auch Ansprüche erstreiten kann, bei denen sich das Krankenhaus selbst entlasten könnte. Andererseits besteht aber auch die Gefahr der Kostentragung, falls man gegen einzelne Beklagte teilweise oder ganz unterliegt.
Fazit
Zunächst macht diese Entscheidung deutlich, dass die pauschale Verweisung von Ärzten, nach der etwaige Schäden nicht durch die Behandlung, sondern durch Komplikationen oder anderes Fehlverhalten in der Schwangerschaft entstanden sind, derart pauschal nicht durchgreifen kann und es dafür schon bedeutend konkretere Anhaltspunkte bedarf.
Darüber hinaus zeigt diese Entscheidung, dass es aus juristischer Sicht im Medizinrecht Sinn machen kann, nicht nur das Krankenhaus selbst, sondern auch behandelnde Ärzte zu verklagen. Insoweit muss man aber besonders vorsichtig bei der Auswahl der zu verklagenden Personen sein, da man ansonsten im Falle des teilweisen Unterliegens auf einem Teil der Gerichtskosten sitzen bleibt.
Um dies zu vermeiden und dennoch durch eine Vielzahl an Beklagten seine Chancen zu erhöhen, empfiehlt es sich in jedem Fall, das beabsichtige Vorgehen vorab mit einem spezialisierten Anwalt zu besprechen. Dieser kann Ihnen auch bei der Beurteilung von etwaigen Kausalitätsproblemen weiterhelfen.
Patientenanwalt RA Michael Graf
Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht
für Freiburg, Karlsruhe & bundesweit