Die Allgemeinmedizin beinhaltet die Grundversorgung aller Patienten mit körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen in der Notfall-, Akut- und Langzeitversorgung sowie wesentliche Bereiche der Prävention und Rehabilitation. Allgemeinärztinnen und Allgemeinärzte sind darauf spezialisiert, als erste ärztliche Ansprechpartner bei allen Gesundheitsproblemen zu helfen.
Im Vergleich zu allen anderen Fachbereichen sind die Vorwürfe der Patienten an Allgemeinmediziner mit 40% am häufigsten begründet. Häufig ist dem Arzt die unterlassene differentialdiagnostische Abklärung der Beschwerden und Beeinträchtigungen des Patienten vorzuwerfen.
Beispiele:
1)
Trotz eindeutigem Krankheitsbild mit Hinweis auf einen akuten Aterienverschluss wurde eine Befunderhebung unterlassen, sodass es viel zu spät zu der notwendigen Operation kam. Folge war die Amputation des rechten Unterschenkels, welche das OLG Oldenburg mit 40.000,00 Euro Schmerzensgeld und einem immateriellen Vorbehalt verurteilte, vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 12.09.1995 (Az. 5 U 84/95)
2)
Obwohl der Patient aufgrund einer Herzsymptomatik mit entsprechender Herz-Kreislauf-Reaktion sofort in eine Klinik zur Intensivüberwachung und diagnostischen Abklärung des Herzinfarktverdachtes hätte eingewiesen werden müssen, wurde dies vom Hausarzt unterlassen und der Herzinfarkt viel zu spät intensivmedizinisch behandelt. Es kam im Verlauf zu Komplikationen, welche schwerste dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge hatte. Der Patient leidet unter einem hypoxischen Hirnschaden und einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten. Das LG München I erkannte im Urteil von 28.05.2003 einen Schmerzensgeldbetrag von 200.000,00 Euro sowie ausnahmsweise aufgrund der besonderen Schwere eine monatliche Schmerzensgeldrente von 150,00 Euro für angemessen (Az. 28.05.2003).
3)
Ein Hausarzt hält einen Schlaganfall für eine gewöhnliche Migräne und unterlässt aus diesem Grund die dringend erforderlichen Maßnahmen. Aufgrund der Zeitverzögerung kommt es bei dem Patienten auf der rechten Körperseite zu einer Halbseitenlähmung mit Gesichtslähmung, einer spastischen Tonuserhöhung des rechten Armes und Beines, einer zentralen Varese des rechten Armes und rechten Beines, sowie einer motorischen Lähmung der Hand und Fingermuskulatur. Im Bereich der gesamten rechten Körperhälfte leidet der Patient seitdem unter einer herabgesetzten Empfindlichkeit. Es kam zu einer spastischen Gangstörung, zu neuropsychologischen Ausfällen, Wortfindungsstörungen und einer reduzierten Kommunikationsfähigkeit. Aufgrund des Unterlassens der weiteren dringend nötigen Maßnahmen bei dem Schlaganfall wurde der Allgemeinmediziner zu 100.000,00 Euro Schmerzensgeld verurteilt, sowie einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 100,00 Euro. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit des weiteren Verlaufs sprach das Landgericht München I im Urteil vom 15.10.2003 darüber einen immateriellen Vorbehalt aus (Az. 9 O 5889/99).
Diese Fälle zeigen, wie vielfältig alleine die Vorwürfe der unterlassenen Befunderhebung als grobe Behandlungsfehler sein können. Für Sie als Patienten sind diese Fehler des Behandlers kaum zu überblicken und oft kommt im Bereich der hausärztlichen Versorgung noch dazu, dass ein langes vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis besteht und deshalb Vorwürfe in diesem Bereich besonders sensibel zu behandeln sind.