Auf dieser Website finden Patienten mit Medikamenten-/ Arzneimittelschaden rechtliche Unterstützung. Unsere Kanzlei verhilft geschädigten Patienten zu Ihrem Recht.
Zu Beginn des Jahres 2020 flammte der Skandal um das Medikament Cytotec neu auf. Mehrere große deutsche Zeitungen berichteten im Februar über das Präparat. Im Vordergrund der Berichte standen die, teils sehr schweren, Komplikationen, zu denen es bei der Geburtseinleitung mit Cytotec kam. Durch die mediale Aufmerksamkeit meldeten sich zahlreiche Familien. Sie hegten den Verdacht, dass die von ihnen erlittenen Geburtsschäden im Zusammenhang mit der Gabe von Cytotec stehen könnten. Binnen einer Woche gingen mehr als 250 Verdachtsmeldungen bei den Behörden ein.
Unsere Kanzlei ist auf Geburtsschäden spezialisiert. Der Skandal um Cytotec begleitet uns schon lange. Wir wollen den Betroffenen Mut machen, sich rechtlich zur Wehr zu setzen. Denn es gibt gute Aussicht auf Erfolg. Das bestätigt ein neues Urteil des Berliner Landgerichts (LG Berlin Az.: 6 O 425/12, Urteil vom 02.07.2020).
Das Präparat Cytotec mit dem Wirkstoff Misoprestol wurde ursprünglich als Magenschutzmittel zugelassen. Viele deutsche Kliniken wenden Cytotec außerhalb des Zulassungsbereiches im Rahmen der Geburtshilfe an (sogenannte „off-label“ Anwendung oder Off-Label-Use). Heute zählt Cytotec zu den meist umstrittensten Wirkstoffen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel warnt vor schweren Nebenwirkungen bei der off-label Anwendung des Medikaments.
Neben Gebärmutterrissen und Wehenstürmen kam es in Folge der Gabe von Cytotec auch häufig zu einem Abfallen der Herztöne des Kindes im Mutterleib. Einige Mütter seien an der Einnahme des Präparats verstorben.
Die meisten Kliniken verteidigen den Einsatz von Cytotec jedoch bis heute. Auch die deutsche Gesellschaft für Gynäkologie spricht sich ausdrücklich für den Einsatz des Wirkstoffs Misoprestol im Rahmen der Geburtshilfe aus. Für die Betroffenen Familien, bei denen es durch Cytotec zu Komplikationen oder gar dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Mutter oder Kind kam, scheint das unverständlich. Sie leiden oft ein Leben lang unter den Nebenwirkungen des Präparats.
Der Hersteller hat das Präparat bereits im Jahr 2006 vom deutschen Markt genommen, als sich die Verdachtsmeldungen immer mehr häuften. Dennoch wird Cytotec weiterhin eingesetzt und als Re-Import aus dem Ausland bezogen. So kommt es bis heute weiterhin zu schweren Geburtsschäden und Komplikationen im Zusammenhang mit der Gabe von Cytotec.
Auch, wenn die Lage aussichtslos scheint. Für die Betroffenen lohnt es, sich zu wehren! Das Berliner Landgericht (LG Berlin Az.: 6 O 425/12, Urteil vom 02.07.2020)) hat einem Cytotec Betroffenen jüngst ein hohes Schmerzensgeld zugesprochen.
Das Berliner Landgericht hatte über einen Fall zu entschieden, bei dem es durch die Gabe von Cytotec zu Komplikationen bei der Geburt und dadurch zu vielfältigen dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen des Kindes kam. Geklagt hatte ein 11-Jähriger, der im November 2009 per Notkaiserschnitt zur Welt kam, nachdem seine Mutter das Präparat Cytotec verabreicht bekommen hatte. Durch die komplizierte Geburt ist der Kläger heute schwerbehindert. Neben einer Entwicklungsretardierung leidet er unter anderem auch unter einer infantilen Zerebralparese (einer Bewegungsstörung durch eine frühkindliche Hirnschädigung), unter Mikrozephalie (einer Störung bei der der Kopf eine verhältnismäßig kleine Größe aufweist), unter einer Hüftluxation, unter Schielen und Muskelhypotonie.
Der Kläger machte die behandelnden Ärzte, den Klinikträger und die Hebamme verantwortlich. Er forderte, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Schmerzensgeldsumme in Höhe von 300.000 Euro zu verurteilen.
Im Verlauf der Geburt hatte die Mutter des Klägers zwei Mal eine Tablette Cytotec von je 50 mg erhalten. In der Folge traten Komplikationen auf. Es musste ein Notkaiserschnitt stattfinden. Der neugeborene Junge verbrachte seine ersten Lebenswochen auf der Intensivstation.
Über die Behandlungsalternativen, sowie die Risiken des Präparats sei seine Mutter nicht wirksam aufgeklärt worden, so der Kläger. Wäre sie von den Behandlern über die Risiken des Präparats, sowie dessen Anwendung außerhalb des eigentlichen Zulassungsbereiches informiert worden, so hätte sie sich unter Inkaufnahme der Risiken direkt für einen Kaiserschnitt entschieden.
Der Beklagten sei der Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Kindesmutter nicht gelungen. Die Einwilligung der Mutter in die Gabe von Cyctotec ist dem Gericht nach damit als unwirksam anzusehen. Das Landgericht betonte zwei Aspekte der Aufklärung, die im vorliegenden Fall mangelbehaftet gewesen seien: Zum einen müsse die Patientin stets eine sogenannte Grundaufklärung erhalten. Fehle es an einer solchen allgemeinen Aufklärung, sei ihr Selbstbestimmungsrecht genauso verletzt, als wenn der Behandler den Eingriff ohne jegliche Zustimmung der Patientin durchgeführt hätte. Außerdem sei im Rahmen der Aufklärung über die Gabe von Cytotec auf die „Off-Label-Use“ hinzuweisen. Dieser Hinweis müsse auch umfassen, dass es bei einer solchen Anwendung möglicherweise zu noch unbekannten Risiken und Nebenwirkungen kommen könnte. Die Patientin müsse nach der Aufklärung in der Lage sein, sorgfältig für sich selbst abzuwägen, ob sie die in Aussicht gestellten Vorteile der nicht zugelassenen Anwendung für sich beanspruchen und damit die größeren Risiken in Kauf nehmen will, oder ob sie eine klassische Behandlung vorzieht. Vor allem müsse die Möglichkeit bestehen, sich über die Gründe der Nichtzulassung eines Medikaments ein umfassendes Bild zu machen.
Deshalb spielt dem Landgericht nach auch der Zeitpunkt der Aufklärung über die Gabe von Cytotec eine entscheidende Rolle. Eine Aufklärung kurz vor der Anwendung des Medikaments ist verspätet. Schließlich sei für eine wohl überlegte Entscheidung eine ausreichende Bedenkzeit nötig.
Das Gericht nahm auch keine hypothetische Einwilligung der Kindesmutter an. Für eine hypothetische Aufklärung sei gedanklich immer die Hypothese einer ordnungsgemäßen Aufklärung vorauszusetzen. Der Beklagten sei es hier jedoch gerade nicht gelungen, zu beweisen, dass die Mutter des Klägers sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu einer Geburtseinleitung von Cytotec entschieden hätte.
Am Zulassungsbereich von Cytotec hat sich bis heute nichts verändert. Immer noch ist das Präparat nicht offiziell zum Einsatz in der Geburtshilfe zugelassen, die Anwendung muss demnach weiterhin im Rahmen der „Off-Label-Use“ erfolgen. Den Betroffenen schenkt das ein wenig Hoffnung.
Juristisch gesehen haftet die Klinik bei der fehlerhaften Verwendung von Medikamenten im „Off-Label-Use“ persönlich. Und auch der sogenannte „Rote-Hand-Brief“, in dem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor den schweren Nebenwirkungen von Cytotec warnt, ist für die Betroffenen und ihre Rechtsbeistände eine gute Hilfe im Prozess. Denn dort benennt die Behörde die Risiken des Präparats und die möglichen Alternativen klar und deutlich.
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